Von Hans Petry, Ratingen | DK 621.316.37
Nach einer Übersicht über die verschiedenen grundsätzlichen Bauarten von Schaltanlagen mit einer Isolation aus Schwefel-hexafluorid-Gas stellt der Verfasser ein neuartiges SF6-Schaltanlagensystem für Betriebsspannungen bis etwa 72,5 kV vor.
Es ist gekennzeichnet durch die gemeinsame Kapselung aller drei Pole des Drehstromsystems mit Hilfe von geschweißtem Stahlblech und enthält SFs unter sehr geringem überdruck. Es können hier zum Teil Serienteile von luftisolierten 24-kV- Geräten eingesetzt werden. Die Schaltfelder enthalten im allgemeinen SFs-Leistungsschalter, Trenn- und Erdungsschalter, induktive Strom- und Spannungswandler, Kabelanschluß-Isolatoren oder Freiluftdurchführungen sowie verschiedenartige Steuer-, überwachungs- und Betätigungseinrichtungen.
Grundsätzliche Bauarten
Schaltanlagen sitzen an den Knotenpunkten von Kabeln und Freileitungen der elektrischen Energieübertragung. Sie enthalten neben anderen Betriebsmitteln (Meßwandler, Schutz- und Meiieinrichtungen, Kabelendverschlüsse, Durchführungen usw.) vor allem Schaltgeräte zum Ein- und Ausschalten angeschlossener Energideitungen und Anlagen teile im ungestörten und gestörten Betrieb. Schaltanlagen tragen somit wesentlich zur sicheren und wirtschaftlichen elektrischen Energieversorgung bei. Es gibt sie in einer großen Anzahl verschiedenartiger Bauformen als Freiluft- und Innenraumanlagen.
Mit dem Gas Schwefelhexafluorid (SFs) isolierte Innenraum-Schaltanlagen haben in den letzten Jahren - vor allem im Spannungsbereich von 72,5 kV bis 145 kV - im Vergleich zu luftisolierten Freiluft- und Innenraumanlagen immer mehr an Bedeutung gewonnen. Bereits im Jahre 1965 wurde das erste SFs-isolierte Hochspannungs-Schaltfeld auf den Markt gebracht [1}. Dieses Feld für die damalige Reihe 110N (Betriebsspannung 123 kV) war polweise mit koaxial zu den Hauptstrombahnen angeordneten Rohrstücken aus Aluminiumguß gekapselt und enthielt SFs mit einem überdruck von etwa 0,5 bar. Seitdem wurden Hunderte von Schaltfeldern nach ähnlichen Grundkonstruktionen von verschiedenen Herstellern im In- und Ausland geliefert. Bei SFs-isolierten Schaltanlagen, vor allem bis etwa 145 kV, sind daneben seit einigen Jahren auch teilweise oder völlig dreipolig gekapselte Bauarten verschiedener Hersteller im Einsatz [2; 3]; das Gehäuse dieser
Anlagen besteht aus Aluminium oder Stahl mit einem vergleichsweise hohen Überdruck der SFs- Füllung. Bild 1 zeigt als Beispiel ein derartiges Einspeisefeld [3]. Um die Zunahme der Durchschlagfestigkeit mit dem Druck tatsächlich ausnutzen zu können, damit z. B. die erforderliche Steh-Stoßspannung erreicht wird, müssen solche Anlagen unter aufwendigen Reinraumbedingungen gefertigt und gewartet werden, da sonst starke Feldinhomogenitäten durch kleine Fremdkörper schwer zu vermeiden sind (siehe dazu besonders die untere Kurve in Bild 2).
Die Betriebsmittel solcher Anlagen, wie die Leistungsschalter. wurden im Laufe der Jahre stetig weiterentwickelt; Bild 3 zeigt einen
Schnitt durch ein polweise gekapseltes Schaltfeld mit Einfach-Sammelschienen [4]. Für die Betriebsspannung 145 kV wird bei dieser für 123 kV konzipierten Baureihe der SFs-überdruck entsprechend der höheren Steh-Stoßspannung angehoben. Für 72,5 kV (bisherige VDE-Reihe 60) kann der Druck bei gleichen Abmessungen der koaxialen Anordnungen bis auf Atmosphärendruck gesenkt werden; die Gesamtaufendungen sind bei dieser Lösung jedoch für die Nennspannung 72,5 kV zu hoch.
Nachstehend wird ein neu entwickeltes, einfaches, besonders raumsparendes Schaltanlagenkonzept beschrieben, das diesem Kostengesichtspunkt Rechnung trägt. Es ist durch eine dreipolige quaderförmige Stahlblechkapselung aus ebenen, rechteckigen Seiten wänden mit Schweißverbindungen gekennzeichnet [5]. Das Isoliergas SFs hat hierbei nur einen sehr geringen überdruckvon etwa 0,2 bar, wodurch man mit vergleichsweise dünnwandigem Stahlblech (3 mm) auskommt.
Die Durchschlagfestigkeit wird damit im Vergleich zu Luft unter Atmosphärendruck (bei nicht extrem inhomogenen Feldanordnungen)
ungefähr verdreifacht. Gegenüber luftisolierten Innenraumanlagen wird die Isolationsfestigkeit im Netzbetrieb noch dadurch erhöht, daß
hier Verschmutzungen und Tauniederschlage nicht vorkommen können.
Die durch die angewandte SFs-Füllmethode nach dem Verdrängungsprinzip verursachte kleine restliche Luftmenge im Isoliergas
führt sogar noch zu einer kleinen, mit gewissen Streuurigen behafteten Erhöhung der Durchschlagfestigkeit im Vergleich zu reinem SFs (vorteilhaft für die Steh-Stoß- und Steh- Wechselspannungen); dies trifft besonders für Inhomogenitätsstellen des elektrischen Feldes zu, die bei diesem Konstruktionsprinzip und der hier üblichen normalen Fertigung auftreten können. Diesen Effekt für SFs/N,-Gemische geben
deutlich die Kurven in Bild 4 [6] wieder.
Der Vergleich der Prüf- und Betriebsspannungswerte zeigt, daß grundsätzlich bei dieser Bauweise vorhandene Isolier- und sonstige
Bauteile der Serienfertigung für luftisolierte 24-kV-Anlagen (bisher VDE-Reihe 20) [7] fast unverändert in den neuen SFs-Anlagen für die
Nennspannung 72,5 kV eingesetzt werden können. So ist z. B. das Verhältnis der Steh-Stoßspannungen 350 kV : 125 kV = 2,8, das der
Steh-Wechselspannungen 140 kV: 50 kV = 2,8 und das der Nennspannungen 72,5 kV : 24 kV = 3,02. Damit man die dielektrische Ertüchti-
gung um etwa den Faktor 3 bei ungefähr gleichen Phasen- und Erdabständen tatsächlich erreicht, wurden zusätzlich hochspannungstechnische Optimierungen vorgenommen, wie Kantenrundungen oder dünne Isolierstoffverkleidungen stark gekrümmter Elektrodenteile [8].
Das neue Schaltanlagenkonzept wird in den folgenden Abschnitten in einer Ausführung für 72,5 kV näher vorgestellt. Anlagen für andere Nennspannungen sind grundsätzlich ebenso aufgebaut; sie werden jedoch infolge der geringeren oder höheren dielektrischen Anforderungen in den Abmessungen entsprechend kleiner oder größer gehalten.
Gesamtaufbau einer Schaltanlage für 72,5 kV
Bild 5 zeigt den Schnitt durch ein Doppelsammelschienenfeld der neuen metallgekapselten fabrikfertigen Schaltanlage [5]. Die äußeren Wände der Kapselung sind wie bei einem Mittelspannungsfeld aus Stahlblech hergestellt und mit U-förmigen Verstärkungsprofilen versehen. An der Frontseite des Schaltfeldes ist ein Antriebsschrank angeordnet. Das Schaltfeld ist in vier Teilräume mit Stahlblech-Zwischenwänden, die mit Durchführungen versehen sind, aufgeteilt. Diese Teilräume sind gegeneinander gas dicht geschottet.
Die einzelnen Teilräume können geöffnet werden, um Geräte ein- und auszubauen und eine gute Zugänglichkeit im Revisionsfall zu er-
möglichen. Die OHnungen werden durch Deckel aus Stahlblech verschlossen. Zwischen Kapselung und Deckel liegen jeweils zwei Recht-
eck-Profildichtungen, die auf je einer Seite aufgeklebt sind. Zwischen den beiden Dichtungen sitzt ein Stahlring. der sich in die Dichtungen
eindrückt und dort mit einer großen spezifischen Flächenpressung für eine hohe Gasdichtigkeit sorgt. Die einzelnen Teilräume sind
Im Leistungsschalterraum ist ein SFs-Blaskolbenschalter eingebaut. Die Öffnung im Leistungsschalterraum ist so groß ausgeführt, daß die
mit einer Dreheinrichtung versehenen drei Leistungsschalterpole gemeinsam um etwa 30° nach vorn geschwenkt werden können, um eine Wartung des Leistungsschalters leicht durchführen zu können (Bild 6).
Der Abzweigraum enthält den Abzweigtrenner einschließlich Arbeits- und Schnellerder, die Spannungs- und Stromwandler sowie die
Kabelendverschlüsse.
In den Sammelschienenräumen sind die Sammelschienen und die Sammelschienen- Trennschalter untergebracht. Diese Trennschalter
bieten die Möglichkeit, auch einen Sammelschienen-Erdungsschalter und einen Arbeitserdungsschalter anzubauen. Die Sammelschienen
sind in Längsrichtung geschottet. Die Abmessungen eines derartigen Feldes sind:
Feldteilung: 1200 mm
Höhe: 2400 mm
Tiefe: 3000 mm
Die Wahrscheinlichkeit, daß ein innerer· Lichtbogen (Störlichtbogen) in Anlagen auftritt, die mit Schwefelhexafluorid anstelle von
mosphärischer Luft isoliert sind, ist bekanntlich äußerst gering. Durch konstruktive Maßnahmen wird bei diesen SFs-Schaltanlagen jedoch dafür gesorgt, daß Auswirkungen auf den jeweils betroffenen Schottraum begrenzt werden, wenn dennoch innere Störungen auftreten sollten. Ferner hat jeder Schottraum außerhalb des Bedieungsbereiches Soll-bruchstellen, die sich bei zu hohen inneren Drücken (> 1,8 bar absolut) öffnen. Im Vergleich dazu ist der Druckanstieg durch je einen Lichtbogen zwischen den drei Sammelschienen von beispielsweise 25 kA bei diesen Anlagen nach 100 ms kleiner als 0,6 bar « 1,8 bar absolut). Auch ein Durchschmelzen des Blechgehäuses durch einen inneren Lichtbogen kann bei dieser Beanspruchung nicht auftreten [6].
Die Folgen einer Lichtbogenstörung lassen sich grundsätzlich sehr klein halten, wenn empfindliche und schnell wirkende Netzschutzeinrichtungen eingesetzt werden; mit einem Sammelschienen-Differentialschutz kann man beispielsweise die Kurzschlußzeit auf weniger als 100 ms beschränken.
Bei sehr hohen Kurzschlußströmen ist ein für diese Schaltanlagen lieferbarer Schnell- Kurzschließer mit einem neuartigen, sehr schnell arbeitenden chemischen Antrieb (Bild 7) besonders wirksam, durch ('_ü innere Lichtbögen über eine dreipolige Erdung in weniger als 5 ms zum Erlöschen gebracht werden. Der Lichtbogen wird hierbei durch Fototransistoren erfaßt, die in den einzelnen Schotträumen angeordnet werden können; diese lösen über eine Auswertelogik, die mit einer Und-Funktion auch durch den Kurzschlußstrom angeregt wird, den Antrieb der Kurzschließer aus. Durch dieses Schutzkonzept wird nicht nur die Personensicherheit sondern auch die Verfügbarkeit der Anlage wesentlich erhöht.
Leistungsschalter
Die eingebauten Leistungsschalter enthalten als Löschmittel Schwefelhexafluorid, das in einem vom Isoliergas 'SFs getrennten Raum unter einem Betriebsdruck von etwa 6 bar steht. Dieser bekannte Leistungsschalter arbeitet nach dem Blaskolbenprinzip [9; 4 J. Der Schaltlichtbogen wird durch Längsströmung des SFs-Gases gelöscht, das durch einen mit den beweglichen Kontakten verbundenen Kompressionszylinder bewegt wird. Das Prinzip des Kontakt- und Löschsystems ist in drei verschiedenen Stellungen in Bild 8 angegeben.
Anders als bei dem Hochspannungsschalter nach [4] wird bei dem 72,5-kV-Leistungsschalter die erforderliche Antriebsenergie nicht aus drei Antrieben, sondern aus einem einzigen Federspeicherantrieb für alle drei Pole entnommen. Die Drehfeder wurde dazu entsprechend verstärkt und der Antrieb mit einer Hydraulikbremse versehen. Die technischen Daten des Leistungsschalters sind aus Tafel 1 zu entnehmen.
Trenn- und Erdungsschalter
Die verwendeten Trenn- und Erdungsschalter (Bild 5 und Tafel 1) sind modifizierte, aus Teilen von Mittelspannungs- Lasttrennschaltern
[7] aufgebaute Geräte. Die in Schubbauweise ausgeführten kompakten Trenner haben kleine Abmessungen und alle wesentlichen Merkmale eines 24-kV -Lasttrenners. Grundrahmen, Stützer, Kontaktträger, Kontakte und die gesamte Antriebstechnik finden Verwendung. Das Schaltrohr mit der inneren Löscheinrichtung zum Schalten von Lastströmen wurde hier durch einen einfachen Trcnnerstift ersetzt. Falls in SF 6- Anlagen mit solchen Schaltern auch Lastströme geschaltet werden sollen, ist ein Pumpenkolben zweckmäßig, der in Verbindung mit einem hohlen Schaltstift die zum Löschen des Ausschaltlichtbogens notwendige Strömung des SF6-Isoliergases erzeugt [10].
Unter dem beweglichen Kontaktstück ist ein Erdungsschalter angeordnet. Darü ber hinaus wurde der Rahmen so verlängert, daß auf der Festkontaktseite ein Arbeitsorder angebaut werden kann. Der Trennschalter hat einen Sprungbetrieb, der dafür sorgt, daß beim Schalten von Anlagenteilen mit kleinen kapazitiven Strömen nur geringe Vorzündungen und nur kurzzeitige Ausschaltlichtbögen auftreten. Der Erdungsschalter auf der Seite der beweglichen Kontaktstücke kann als mehrfach einschaltfester Erder oder als Arbeitserder ausgebildet werden. Der Erdungsschalter auf der Festkontaktseite ist als Arbeitserder ausgeführt.
Strom- und Spannungswandler
Die 72,S-kV-Schaltanlagen werden grundsätzlich mit induktiven Meßwandlern ausgerüstet (Bild 5 und 9). Bei den Spannungswandlern
handelt es sich um mit Epoxid-Gießharz vergossene einpolige Geräte mit einem Mantelkern zur Erzielung geringer Bauhöhe. Die Kern- und Spulenachse ist so angeordnet, daß die Meßgenauigkeit durch hohe Kurzschlußströme im Hauptstrompfad praktisch nicht beeinträchtigt wird. Die Ausführung entspricht Innenraumwandlern für umgebende Luft, jedoch mit verringerten äußeren Abmessungen, da die Uberschlagsfestigkeit unter SF6 höher ist.
Die technischen Daten der Spannungswandler für die 72,5-kV-Anlagen sind in der Tafel 2 aufgeführt. Für Spannungsprüfzwecke kann
der Spannungswandler durch eine einfache Trennvorrichtung von der Hauptstrombahn getrennt werden.
Die technischen Daten von Stromwandlern können bekanntlich, je nach den zu erfüllenden Meß- und Schutzaufgaben und je nach der
Nennstrornstarke, sehr vielfältig sein. Danach richtet sich die jeweilige konstruktive Ausführung. Bei Anlagen ab 72,5 kV sind die Anforde-
rungen in den meisten Fällen so, daß eine einfache Einleiter-Ausführung möglich ist. Hierzu wurde ein kostengünstiger Stromwandler
entwickelt, der das Isoliergas SFü als Hochspannungsisolation aufweist und der auf dem rohrförmigen Primärleiter, dessen Außendurchmesser im Wandlerbereich etwas verringert wurde, zusätzlich als Feststoffisolation ein Polyäthylenrohr enthält.
Grundsätzlich können die Einleiter-Stromwandler unter Ausnutzung der Kabel- und Durchführungsisolation auch als einfache Ring-
stromwandler im Bereich der Kabelendverschlüsse bzw. der Freileitungsdurchführungen angebracht werden.
Besonders für kleine primäre Nennströme, die bei Netzspannungen ab 72,5 kV selten vorkommen, sind die Stromwandler auch als Gießharzstützerwandler mit einer Primärwicklung aus mehreren Windungen lieferbar. Bei dieser Ausführung wird ein Vollverguß mit Epo
xid-Gießharz angewandt.
Ebenso wie bei den Spannungswandlern können auch bei den Stromwandlern die Außenabmessungen kleiner gehalten werden als bei
den entsprechenden Bauarten für luftisolierte Anlagen. Die technischen Daten sind in Tafel 2 angegeben.
Sammelschienen, Sammelschienenabzweige und innere Durchführungen
Die Sammelschienen bestehen aus nebeneinander liegenden Kupferrohren, (Bild 10). Sie können so ausgelegt werden, daß Nennströme bis 2500 A möglich sind. An den Sammelschienen sind Flachschienen mit gerundeten Kanten als Sammelschienenabzweige angebracht, die mit den Sammelschienen- Trennschaltern verschraubt werden.
Die Sammelschienen, die zwischen den einzelnen Feldern von gemeinsamen Durchführungsplatten (Bild 11) gehalten werden, sind so
aufgeteilt, daß sie je Feld herausnehmbar sind, ohne daß in den Nachbarfeldern ein Gasverlust eintritt. Dadurch können eventuell erforder liche Wartungsarbeiten an den Trennern leicht durchgeführt werden.
Kabel- und Freileitungsanschlüsse
Der Anschluß von Kabeln ist mit einem Einheitsendverschluß - ähnlich dem des 110-kV-Einheitsendverschlusses [11] für alle gebräuchlichen Kabel bis zu einem Querschnitt von 1200 mm? mit einem Kabel möglich. Es können auch mehrere Kabel parallel angeschlossen werden.
Außer mit Kabeln sind Anschlüsse mit gespreizten Innenraum- und Freiluftdurchführungen für Transformatoren- oder Freileitungsan-
schlüsse bis zum Nennstrom von 2500 A möglich. Die Hochspannungsleitungen können innerhalb des Schaltanlagengebäudes entweder
als luftisolierte Anordnungen, als ein- oder dreipolig SF6-isolierte Rohrleiter oder als gießharz-vollisolierte kapazitiv gesteuerte Schienen
ausgeführt werden.
Isoliergas- und Löschgassystem
In Bild 12 ist das Isolier- und Löschgassystem der Anlage dargestellt. Das Löschgas der drei Pole des Leistungsschalters bildet eine geschlos
sene Einheit [10]. Die Pole sind miteinander verbunden und werden von einem Dichtewächter überwacht. Der Betriebsdruck (absolut) be
trägt p = 6 bar bei der Temperatur t =20 "C. Der Dichtewächter hat zwei Funktionen:
1. Meldung" Unterdruck- bei p = 5,2 bar,
2. Funktionssperre bei p = 5,0 bar.
Das Isoliergas der einzelnen Teilräume, die bei t = 20 "C mit etwa 0 = 200 mbar Überdruck (= 1200 mbar absoluter Druck) gefüllt werden, wird mit einem Druckwächter je Teilraum überwacht. Der genaue Wert des erforderlichen Fülldruckes ist von der Temperatur und der Aufstellhöhe abhängig (Bild 13). Bei einem Druck von 1050 mbar bzw. 1000 mbar wird "Unterdruck" gemeldet. Für ein Feld beträgt die Leckrate eines Teilraumes höchstens etwa 3 des SF6-Gewichtes je Jahr.
Das Füllen der Isoliergasräume geschieht nach dem seit langem bekannten Verdrängungsprinzip [12]. Das gegenüber Luft etwa fünfmal so schwere trockene S6-Gas wird über Rohrleitungen den vorher gereinigten und getrockneten Teilräumen an einer unten gelegenen Stelle zugeführt; an einer oberen Öffnung entweicht die Luft. Dieser Füllvorgang wird von einer Regeleinrichtung überwacht, die laufend den Luftanteil und die Gasfeuchte ermittelt und bei einem SF6-Anteil von 95 und bei einem Taupunktvon unter -10 "C den Füllvorgang beendet. Während des Füllvorgangs wird die Einströmgeschwindigkeit optimal geregelt [6].
Wenn Leckverluste auftreten und eine Nachfüllung erforderlich wird, steht je Anlage ein Nachfüllwagen als dezentrale Nachfüllein-
richtung zur Verfügung [10]. Diese besteht aus einer SF6-Flasche mit Flaschenwagen, Reduzierventilen, Überdruckventilen, Schläuchen
und Steckkupplungen. Beim Nachfüllen werden die Gasräume mit dieser Einrichtung über die Steckkupplung verbunden. Gemäß der äußeren Raumtemperatur, die mit den Gastemperaturen im Innern möglichst übereinstimmen soll, wird der Druck in den Gasräumen auf den entsprechenden Wert nach dem dazugehörigen Nachfülldiagramm gebracht.
Antriebsschrank
Der an der Frontseite angeordnete Antriebsschrank (Bild 5) ist in 2 Funktionsbereiche unterteilt. Im oberen Teil des Schrankes befinden sich die Trenn- und Erdungsschalterantriebe sowie die Löschgasüberwachung und die Steckkarte mit den für die Isoliergasüberwachung vorgesehenen Leuchtdioden und das Relais für die Sammelmeldung.
Dieser Schrankteil hat eine Tür, die die Einstecköffnungen für die Handbetätigung der Trenn- und Erdungsschalterantriebe abdeckt, so
daß diese nur dann von Hand betätigt werden können, wenn die Tür geöffnet ist.
Im unteren Schrankteil ist der Leistungsschalterantrieb untergebracht. Die Front dieses Schrankteils wird durch eine getrennte, her-
ausnehmbare Klappe verschlossen, die für Steuerkabelanschluß- und Wartungsarbeiten die ganze untere Schranköffnung freigibt
Technische Daten und SchaItungsvarianten
Die technischen Daten eines 72,5-kV-Feldes und der eingebauten Schaltgeräte sind in Tafel 1 zusammengefaßt. Die Daten der Strom-
und Spannungswandler enthält Tafel 2. Durch zahlreiche Typprüfungen wurden die angegebenen Werte bestätigt. Die Anlage und ihre Be-
triebsmittel erfüllen die Anforderungen der Norm DIN 57670 (VDE 0670), der IEe-Publikationen 56,129,298 und 517 sowie sonstiger in-
frage kommender Vorschriften. Die Druckfestigkeit der Blechkapselung ist nach den AD-Merkblättern des VdTüV bemessen.
Mit dergewählten Bauform der Anlagen lassen sich alle gewünschten Bauvarianten ausführen. Bild 14 gibt einen überblick über die ge-
bräuchlichsten Ausführungen. Hierbei ist noch zu erwähnen, daß sich in einem Einfachsammelschienenfeld eine Längstrennung durch
Trennschalter mit einbauen läßt. Die Sammelschiene wird dann in der zweiten Sammelschienenebene weitergeführt. Eine typische Schaltanlage aus 7 Feldern ist in Bild 15 als Schaltbild und in perspektivischer Zeichnung wiedergegeben.
Transport, Montage und Wartung
Jedes Schaltfeld ist zugleich Montage- und Transporteinheit. Die Abmessungen sind so klein, daß der Transport auf normalen Last-
kraftwagen möglich ist. Die Gasräume des Isolier- und Löschgassystems werden im Werk mit SF6-Gas von geringem Überdruck ge-
füllt. Die Räume sind gegen das Eindringen von Schmutz und feuchter Luft geschützt. Die Antriebe werden werksseirig eingestellt und auf
eine Klemmleiste im Antriebsschrank fertig verdrahtet; dies ermöglicht eine wesentliche Verkürzung der Inbetriebsetzungszeit am Aufstellungsort. Bild 16 zeigt die Montage der ersten Schaltanlage dieser Art bei der Städtische Werke Aktiengesellschaft Kassel im Oktober 1979.
Umfangreiche Versuche haben ergeben, daß die Kontaktstücke und Löschdüsen des Leistungsschalters nach alternativen Schaltfällen, die
in Tafel 3 vermerkt sind, zu überprüfen und erforderlichenfalls zu wechseln sind. Die Leistungsschalrcrantricbe, die Trennschalter und
Erdungsschalter einschließlich deren Antriebe sind nach jeweils maximal 2500 Schaltspielen einer Revision zu unterziehen. Dies bedeutet für den praktischen Netzbetrieh, daß die Anlage in den meisten Fällen erst nach mehr als zehn Jahren gewartet werden muß. Ebenfalls in größeren Zeitabständen ist das Lösch- und Isoliergassystem bezüglich Taupunkt, Luftanteil und sonstiger Veränderungen zu überprüfen. Die Anlage ist somit als sehr wartungs arm- anzusehen.
Zusammenfassung
Nach einem einleitenden überblick über verschiedene Konstruktionsprinzipien von Anlagen mit Sehwefclhexafluorid- Isolation wird
ein neuartiges, raumsparcndcs und sehr wirtschaftliches SF6-Schaltanlagenkonzept für Betriebsspannungen bis etwa 72,5 k V vorgestellt. Die Kapselung aus geschweißten Stahlblechwänden umschließt alle drei Pole gemeinsam und enthält in einzelnen geschotteten Räumen das Isolierglas Schwcfelhexafluorid unter sehr geringem Überdruck. Für 72,5 kV können hierbei zum Teil Isolier- und sonstige Bauteile aus der Serienfertigung von luftisolierten 24-k V -Schaltgeräten verwendet werden, da durch das SF6-Gas die dielektrische Festigkeit um etwa den Faktor 3 verbessert wird. Als Leistungsschalter kommen Blaskolbenschalter mit SF6 als Löschmittel zum Einsatz. Die Spannungswandler sind gießharz isoliert, die Stromwandler meistens in Einleiterausführung mit SF6-Feststoff-Isolation. Die Sammelschienen bestehen aus Kupferrohren. Die Durchfiihrungen zwischen den einzelnen Schotträumen sind dreipolig aus Gießharz ausgebildet. Es sind wahlweise Kabelanschluß-1solatoren aus Gießharz zum Einführen von Kabelendverschlüssen oder gesteuerte Gießharzdurchführungen in gespreizter Anordnung für-einen Freileitungsansschluß möglich. Der Antriebsschrank enthält alle Schalterantriebe und die niederspannungsseitigen Steuer-, überwachungs- und Betätigungseinrichrungen eines Feldes,
einschließlich der Auswertelogik für die Fototransistoren-Auslösung von eingebauten Schnellkurzschließern für den Fall innerer Lichtbö-
gen.
Schrifttum
[1] Brückner, P.; Flöth, H: Vollisolierte gekapselte Schaltanlagen für Reihe 110 mit sehr kleinem Raumbedarf. ETZ-A 86 (1965) S. 198 - 204,
[2] Mauthe, G.; Szente- Varga, N. P.: SF6-isolierte, metallgekpaselte Schaltanlagen mit Nennspannungen von 72,5 bis 550 kV. Brown Boveri Mitt . 65 (1978), S, 220 - 230. .
[3] Fischer, D.; Olsen, W.; Palm,].: Dreipolig metallgekapselte, SF6-isolierte Schaltanlage 8D.6 für 123 bis 145 kV Nennspannung. Siernens-Z. 49 (1975), S. 723 - 728.
[4] Leonhardt, G,; Petry, H.; Sonnenschein, E.: Der SF6- Leistungsschalter, Typ SF5D, für gekapselte, SF,-isolierte Hochspannungs-Schaltanlagen bis 145 kV. Calor-Emag-Mitt. 1977, H. 1I, S. 3 - 9.
[5]. Leonhardt, G,; Petry, H,; Sonnenschein, E,: Die stahlblechgekapselten SF6-Schaltanlagen, Typenreihe ZF8, für Nennspannungen bis 72,5 kV. Calor-Emag-Mitt. 1979, H. I, S. 3 - 12.
[6] Gremmel, H.; König, D.,; Leonhardt, G.: A new concept for SF, insulated metalenclosed high voltage switchgear. GIS-Symposium Lüttich 1979.
[7] Petry, H,: Schub- Lasttrennschalter und zugehörige metallgekapselte Schaltfelder zur sicheren und wirtschaftlichen Energieverteilung. Elektrizitarswirtschaft 76 (1977), S.213 - 217,
[8] Brückner, P.; Flöth, H.: Isolierprobleme im Schaltanlagenbau. ETZ-A 83 (1962), S. 722 - 728.
[9] Rappange, A.: SF,-Hochspannungs-Leistungsschalter, Typ ELF für Freiluftaufstellung.Brown-Boveri-Mitt. 63 (1976) S. 212-218.
[10] Weber, H,; Wißkircben, P. W.: Die Isoliergas- und Löschgassysteme der gekapselten SF,-isolierten Hochspannungs-Schaltanlagen. Calor-Emag-Mitt. 1978, H. II, S. 11 - 17.
[111 Boeck, W.; Kuhn, E.; Simon, G.; Siitteriin, K.: Einheitsendverschlüsse zum direkten Einführen von Kabeln in vollisolierte 110-kV-Kompakt-Schaltanlagen, Elektrizitätswirtschaft-70 (1971), S. 202 - 205.
[12] Gross, M, G.: Gas insulation. The American J oumal of Roentgenology and Radium Theraphy, 65 (1951), H. 1, S. 103 - 108.
Elektrizitälswirtschaft
Zeitschrift der
Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke - VDEW
im Verlag der Verlags- und Wirtschaftsgesellschaft der
Elektrizitätswerke. Frankfurt am Main. Stresemannallee 23
Sonderdruck Nr. 3187 Jg. 78 (1979) H.25, S. 1025-1032